Martin G. Schmid
Mittwoch, 20. Juni 2018, 20:30 Uhr
Martin G. Schmid | Ikonodulen | verkohlt Holzkohle | ca. 30 x 40 cm | 2017
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Die vergessene Geschichte der Abstraktion
In den vergangenen Jahren insbesondere nach der Jahrtausendwende wurde in der zeitgenössischen Kunst die Abstraktion des 20. Jhdts. reichhaltig und sehr deutlich wiedererkennbar produziert und reproduziert. Zudem wurde sie im Kunstdiskurs intensiv behandelt. Das hat seine berechtigten Gründe. Dabei ging es aber immer nur um eine Abstraktion der Moderne in Europa oder dem sog. Westen. Meine Setzung ist derart, dass ein bestimmter Strang der Abstraktion sich auf das zweite Gebot vor bereits 4000 Jahren bezieht, als das Gebot “...du sollst dir kein Bildnis machen...”, das im Orient, genauer bei den Israeliten auftauchte. Seither gibt es dieses äusserst produktive Missverständnis des Bildverbots, das soviel geschaffen und zerstört hat. Beispielsweise sei das Bildverbot im Islam genannt, das gleichzeitig einen virtuosen Umgang mit Typografie und Ornament als Bildersatz hervorbrachte, heute aber beispielsweise zu Bildzerstörung durch den IS geführt hat. Oder man kann die zwei Bilderstreite in Byzanz der Ikonodulen und Ikonoklasten aufrufen, aus denen die Orthodoxen Kirchen mit dem malerischen Format der Ikone hervorgingen. Oder auch der Bildersturm der Reformatoren sei genannt (insbesondere durch Zwingli in Zürich), der zur Erfahrung des leeren, abstrakten Raums der Kirche führte. Vor allem aber zog sie die Gegenreformation als Barock und bildgewaltigste Epoche im Okzident nach sich, deren Opulenz bereits wieder eine Nähe zur Abstraktion aufweist. Diese Auseinandersetzung ist natürlich sehr aktuell, gerade hinsichtlich einer ästhetischen Verständigung zwischen Orient und Okzident, was unweigerlich eine diskursive und politische Dimension in sich trägt.
Bei unserem Atelierbesuch wird es also darum gehen, verschollene, historische Strukturen freizulegen, die unser Welt- und Kunstverständnis prägen. Diese Strukturen können wir so in die Gegenwart und eine Zeitgenossenschaft überführen. Gezeigt wird dieser Zusammenhang anhand einiger älterer Arbeiten, die sich ästhetisch maximalistisch und barock orientieren. Solche Arbeiten werden kontrastiert mit neuen Gebilden, die sich minimalistisch und reduziert orientieren. Gerde das Verschliessen/ Verkohlen von Bildern öffnet die Möglichkeit ihre Konzeptualität explizit handzuhaben. Hier werden wir quasi an einem geheimen Seitenarm aus dem Malerhemd von Ad Reinhardt direkt dessen Bilder als schwarzes Loch sehen können. Doch es ist nicht nur ein räumlicher, sondern auch ein zeitlicher Blick. Daher besteht das Wagnis in der Schwärze den binären Code von G.W. Leibniz entdecken zu können und diesen bezüglich unserer Zukunft interpoliert zu erhalten. Mal schauen!
Heike Gallmeier
Mittwoch, 13. Juni 2018, 20:30 Uhr
Heike Gallmeier | Projektive Geometrie | Installation | 400 x 300 x 250 cm | 2017 |
In meiner Arbeit verbinden sich Elemente von Skulptur, Malerei und Fotografie zu Installationen. Ich verarbeite gefundene Materialien zu skulpturalen Installationen, aus denen meist Fotografien entstehen. Die jeweilige Installation ist für einen speziellen Blickwinkel – den der Kamera – gebaut. Der dreidimensionale Raum wird von vornherein auf die spätere flächige Wahrnehmung im Foto hin angelegt. Meine inszenierten Fotografien integriere ich als freistehende Elemente wiederum in installative Räume. Es geht mir dabei nicht nur um fertige Arbeiten, sondern auch darum, einen Prozess zu erzeugen, in dem Materialien, Objekte und Abbildungen kontinuierlich zwischen unterschiedlichen Techniken, Kontexten und Wahrnehmungsebenen zirkulieren.
Der Prozess des Sammelns von Gegenständen und Materialien als ungerichtete Bewegung im urbanen Raum ist ein wichtiger Bestandteil meines Arbeitsprozesses. Dinge, die als wertlos gelten, erhalten durch die aufmerksame Betrachtung ihrer Eigenschaften und Oberflächen und Einbindung in neue Kontexte wieder Wert und Bedeutung.
Bei dem Reise- und Ausstellungsprojekt „Vertigo“ bin ich in einem zum mobilen Wohnatelier umgebauten Transporter von Berlin nach Northampton gereist und habe während dieser Reise aus gefundenen Materialien temporäre Installationen gebaut. Auf dem Weg durch Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich und Großbritannien hat sie Autobahnen und Hauptstraßen vermieden. Anstatt die kürzeste Route zu wählen bin ich auf Landstraßen und durch Wohngebiete gefahren. An meinem Ziel, dem NN Contemporary Art in Northampton, angekommen, habe ich den Innenraum des Transporters in den Ausstellungsraum versetzt und, zusammen mit großformatigen Fotografien, die auf dem Weg gefundenen Materialien zu neuen Installationenverarbeitet.