Julia Münstermann

Mittwoch, 03.11.2021, 20.30 Uhr 

Der Talk findet im Studio der Künstlerin statt.



Julia Münstermann, 
ENTROPY, 2020-21, ink and salt on paper, 18 x 50 x 65 cm, Studio Berlin


Entropie ist das physikalische Maß für die Unordnung. Unser Universum strebt einem Entropie-Maximum entgegen, das heißt, wirkt keine Kraft dagegen, nimmt die Unordnung zu. Dennoch schafft es die Gravitation, Gebilde zu erschaffen, die strukturiert, also ordentlicher sind. So formen sich Cluster, Galaxien, Sonnensysteme, Sterne und Planeten. Unsere Galaxie, die Milchstraße, beispielsweise ist eine rotierende Spiralgalaxie, die durch ein Schwarzes Loch in seiner Mitte und durch Dunkle Materie zusammengehalten wird. 
In den Bildern der Serie ENTROPY entstehen ebenfalls Strukturen aus der Unordnung – aufgrund der Lösungsenergie der Salzkristalle in der flüssigen Tusche bilden sich neue Galaxien, interstellare Nebel und schwarze Löcher. Im Entstehungsprozess stellt sich gleichsam die Frage nach Chaos, Ordnung – und Entropie.
Julia Münstermann setzt sich in Ihren Arbeiten mit Licht, Farbe und Raum, den Grenzen der Sichtbarkeit und der veränderten Wahrnehmung durch das technische Bild auseinander. Die Malerei steht dem digitalen Bild als materielles handgemachtes gegenüber. 
Beim Art-Meets-Science-Projekt “Dark Matter” am Teilchenlabor DESY erforschte Sie in der Serie ELECTRIC SHADOW durch das Malen von Licht-Bildern, die als Nicht-Bilder in Erscheinung traten, die Sichtbarmachung von Phänomenen wie der eigentlich unsichtbaren Dunklen Materie. Von der mikroskopischen Welt, die durch Teilchenbeschleuniger sichtbar gemacht wird, geht nun bei der Serie ENTROPY der Blick ins All, wo Weltraumteleskope wie Hubble Schwarz-Weiß-Bilder bis an die Grenze des Sichtbaren aufnehmen und so in die Geschichte des Universums zurückblicken. Wie das Mikroskopische ist auch das Makroskopische unfassbar. Dieses Erscheinen von Bildern spielt Julia Münstermann in der Malerei nach, unter Einbezug des Zufalls, um die Grenzen des Visuellen in unserer durch Bilder überfluteten Welt zu untersuchen.

Prof. Dr. Christian Schwanenberger



www.julia-muenstermann.de


Michelle Letelier

Mittwoch, 15. 09.2021, 19:30 Uhr

Der Talk findet im Studio der Künstlerin statt. Um Anmeldung wird gebeten.


Michelle Letelier, Am I Ancient or A Human-Made Machine?
solo exhibition detail, 2021, Or Gallery, Vancouver, Canada, 2021



Michelle-Marie Letelier was born in 1977 in Rancagua, Chile. She currently lives and works in Berlin.

Her multimedia installations, photographs, videos, drawings and objects embrace orchestrated transformations of natural resources, alongside extensive wide-ranging, interdisciplinary research into the landscapes where their exploitation and speculation take place. Through her work, she places together different epochs, regions and societies, examining political-economic, historical and cultural aspects.

Michelle-Marie Letelier spent her early life in Chuquicamata, a space of copper deposits in the middle of the Atacama Desert of mined since pre-Hispanic times, annexed by Chile in the Saltpetre War (1879-84), and home to the largest copper mine in the world. When the town was to be buried due to new mining policies, Letelier returned to document this process—a pivotal moment that ushered in her practice.

Since establishing in Berlin in 2007, she has been particularly invested in examining five resources: coal, copper, saltpetre, wind and, more recently, salmon, in order to create a poetic work applying their properties - such as electrical conductivity, crystallisation and agency. In her practice, she experiments with chemical and physical transformation processes that produce the artworks themselves, as well as their poiesis, beyond the extractive industry and its forms of control.

The work of Michelle-Marie Letelier carries heavy socio-political overtones; it is eloquently reflective especially in times of unveiled globalisation, the increasing scarcity of raw materials and the crisis of the neoliberal model.

www.michellemarieletelier.net

Christl Mudrak

Mittwoch, 22. September 2021, 18.30 Uhr

Der Talk findet im Außenbereich des Atelierhauses Lobe Block statt.

Adresse: Böttgerstrasse 16, 13357 Berlin




Christl MudrakKeep Driving, September 2021, Arbeitsskizze, Grünefeld


Auf der Außenseite des Wagens ist eine Leinwand befestigt. Das Auto fährt, während auf die Leinwand gemalt wird. Es geht um direktes Handeln, das keinen Aufschub duldet. Das Entkoppeln von Kontrolle und Bildgestaltung soll befördert werden. Eine bestimmte Anstrengung und physische Verausgabung könnte ein anderes Ergebnis möglich machen. Schon bei einer Geschwindigkeit des Wagens von zehn Stundenkilometern bewegt sich die Leinwand pro Sekunde um etwa 2,80 m weiter, was die Länge dieser Leinwand bei weitem übertrifft. Folglich hat die Person am Steuer bei dieser Art der Zeichnung oder Malerei einen erheblichen Einfluss auf das experimentelle Bildergebnis. Die Geschwindigkeit der Bewegung wird die Präzision der Pinselstriche und die Qualität der Malerei beeinflussen. Die potentiellen Kräfte und Fähigkeiten der beiden Beteiligten auf das Bild einzuwirken, scheinen ungleich verteilt. Während die malende Person die Leinwand betrachten kann, fehlt der fahrenden diese Möglichkeit. Die Kommunikation beider sollte für eine gute und sichere Arbeitsfahrt und Malweise adhoc funktionieren

Franziska Goes

Mittwoch, 15. 09.2021, 20 Uhr

Der Talk findet im Studio der Künstlerin statt.

Franziska Goes, links: Gefühl für Poesie/Purpurblau, 2020/21, rechts: Tag/Nachtbild, 2020, beide Gemälde 180 x 170 cm, 
Acryl auf Baumwolle, Ausstellungsansicht 2021, Galerie Knust Kunz Editionen München, Fotografie: Sigfried Wameser


Paradoxale Räume 

Zur Malerei von Franziska Goes 

Es beginnt mit einer Auswahl an Farben, die von Franziska Goes auf unterschiedliche Art und Weise flächig auf die Leinwand aufgetragen werden. Damit ist eine Stimmung vorgegeben, die das Bild am Ende immer noch bestimmen wird. Die räumlichen Wirkungen der Farben untereinander lassen einen Farbraum entstehen, der stets die Grundlage des Bildes ist. 

Erst dann kommen die Formen hinzu, angelegt in räumlichen Verflechtungen, etwa wenn einzelne Bildfelder wie Fenster auf eine andere Ebene erscheinen. Jedes Bildelement ist dabei von einer eigenen Farbigkeit und Textur. Es finden sich diverse Arten des Farbauftrags, der sehr schnell oder sehr langsam erfolgen kann: von glatt gestrichen, informel gesetzt bis mit dem Pinsel oder Schwamm getupft sowie mit Airbrush gesprüht, dabei die Farbflächen scharf voneinander abgrenzend oder weich ineinander übergehend. 

Die Künstlerin sagt selbst: „Im Bildraum bewegen sich die Formen und Flächen in rhythmischer Interaktion, eine dynamische Balance entsteht, wo ein Element das andere berührt und etwas auslöst im Gefüge. Sie verschieben sich jeweils in einen anderen Aggregatzustand und entwickeln Ambivalenzen untereinander, visualisiert durch die Erfindungen der Malerei.“ 

Die verschiedenen Oberflächen schaffen auf der Bildfläche räumliche Beziehungen, die sich jedoch nicht eindeutig auflösen lassen wie bei einem perspektivisch konstruierten Raum. Goes’ Bildkompositionen beruhen auf einer paradoxalen Verschränkung, die sich am deutlichsten im Verhältnis von Fläche und Raum zeigt. 

Es handelt sich um eine fast architektonische Bildauffassung, bei der sich die Komposition wie ein Gerüst oder Geflecht aufbaut. Die bemalte Bildfläche ist dabei beinahe wie eine Skulptur aufgefasst, die, auch wenn man sie nicht umwandern kann, sich im gleichen Raum wie wir befindet. Wir tauchen nicht nur in das Bild hinein, sondern es kommt uns gleichsam entgegen. 

Wenn sich die Bildelemente teilweise überschneiden und ein Übereinanderliegen verschiedener Ebenen suggeriert wird bzw. auch tatsächlich vorhanden ist, mag man an die beliebig an- und wegklickbaren Layer digitaler Bildprogramme denken. Doch so sehr ein gemaltes Bild auch von der visuellen Umwelt geprägt ist, so sehr ist es bei Franziska Goes immer eine Reflexion dieser mit den Mitteln der Malerei selbst und gleichsam über sie. Sie selbst versteht dies als „eine Art Sampling Strategie über Varianten malerischen Ausdrucks im Hier und Jetzt, bei der künstlerisch so frei und präzise wie möglich ein visueller und physischer Ereignisraum geschaffen wird.“ 

Ludwig Seyfarth, Berlin 2020


Anja Nitz

Mittwoch, 08.09.2021, 20 Uhr

Der Talk findet im Studio der Künstlerin statt.



Anja Nitz, Ansicht des Ausstellungsaufbaus, Japanisches
Palais Dresden, 2019


In meiner Arbeit setze ich mich mit gesellschaftlich relevanten Institutionen und Einrichtungen auseinander, die eine öffentliche Funktion haben, aber nicht - bzw. nur teilweise - öffentlich zugänglich sind. Ich habe zum Beispiel in Klinikgebäuden, Botschaftsgebäuden, Museumsdepots, an Staatsbibliotheken oder universitären Sammlungen gearbeitet. Mein Arbeitsmedium ist in aller Regel die Fotografie: Ich portraitiere die Räumlichkeiten der Institutionen, die im Zusammenhang ihrer jeweiligen Funktion oder des jeweiligen Aufgabengebiets eine entscheidende Rolle spielen. Dabei fokussiere ich zum Beispiel auf die Konventionen in der Raumgestaltung, auf die Ordnungs- und Leitsysteme, auf die Bestimmung und Differenzierung von repräsentativen Räumen im Gegensatz zu nebenseitigen und abseitigen Räumen oder auf den Umgang mit Material und Oberfläche. Ich versuche zu visualisieren, wo und wie sich formale und begrifflich abstrakte Vorstellungsweisen innerhalb der räumlichen Ausgestaltung niederschlagen. Mich interessiert, wie gesellschaftliche Vorstellungswelten mit der visuellen Erscheinung von Arbeitswelten verschmelzen und auf welche Weise sich diese im Laufe der Zeit verändern. Dazu portraitiere ich meist die Innenräume der Gebäude mit dem Ziel, auf Selbstverständliches, Zufälliges ebenso wie auf bewusst Inszeniertes aufmerksam zu machen - vor allem dort, wo die Räume der Abbildung von allgemein gültigen Überzeugungen dienen. Ich arbeite meist seriell und habe viele meiner Arbeiten in Form von Publikationen veröffentlicht. Für meine Ausstellungen versuche ich, eine installative und raumbezogenen Umsetzung zu erreichen.
Anja Nitz


 

Heike Baranowsky

Mittwoch, 24.03.2021, 20 Uhr

Der Werktalk findet als virtueller Talk auf einer digitalen Plattform statt.



Heike BaranowskyWosa (Coyote’s Burden Basket), 2019, stop/ motion Animation, 9:23 Min. Loop, 
35 mm Film Installation, ohne Ton



        

Der konzeptionelle Ansatz von Baranowskys Arbeit liegt im Perspektivwechsel: Die Haltung des stillen Beobachtens von Phänomenen schließt die Handlung des Bauens von Bildwirklichkeiten nicht aus. Baranowsky interpretiert das Medium Video dabei auf besondere Weise. Sie verwendet Video sowohl zur Aufnahme als auch zur Konstruktion von raumzeitlichen Realitäten. Baranowskys Kamera ist weder rein passiv noch nur aktiv. In bestimmten Momenten zeigt sie schlicht, was zu sehen war.

So nutzt sie in manchen Filmen zum Beispiel die aus dem Trickfilm bekannte Technik der Stop-Frame-Animation. Erst nimmt sie Bild für Bild auf, dann reiht sie die Einzelbilder in Filmsequenzen auf. Wenn ein Gegenstand oder die Kamera selbst von Bild zu Bild minimal bewegt wurde, entsteht im Zusammenschnitt der Eindruck, die Dinge oder der Blickwinkel bewegten sich. Die Veränderung der Geschwindigkeit, mit der die Bilder ablaufen, bewirkt in anderen Arbeiten vergleichbare Verschiebungen in der Wahrnehmung.

 

 

 

heikebaranowsky.de