Franziska Goes

Mittwoch, 15. 09.2021, 20 Uhr

Der Talk findet im Studio der Künstlerin statt.

Franziska Goes, links: Gefühl für Poesie/Purpurblau, 2020/21, rechts: Tag/Nachtbild, 2020, beide Gemälde 180 x 170 cm, 
Acryl auf Baumwolle, Ausstellungsansicht 2021, Galerie Knust Kunz Editionen München, Fotografie: Sigfried Wameser


Paradoxale Räume 

Zur Malerei von Franziska Goes 

Es beginnt mit einer Auswahl an Farben, die von Franziska Goes auf unterschiedliche Art und Weise flächig auf die Leinwand aufgetragen werden. Damit ist eine Stimmung vorgegeben, die das Bild am Ende immer noch bestimmen wird. Die räumlichen Wirkungen der Farben untereinander lassen einen Farbraum entstehen, der stets die Grundlage des Bildes ist. 

Erst dann kommen die Formen hinzu, angelegt in räumlichen Verflechtungen, etwa wenn einzelne Bildfelder wie Fenster auf eine andere Ebene erscheinen. Jedes Bildelement ist dabei von einer eigenen Farbigkeit und Textur. Es finden sich diverse Arten des Farbauftrags, der sehr schnell oder sehr langsam erfolgen kann: von glatt gestrichen, informel gesetzt bis mit dem Pinsel oder Schwamm getupft sowie mit Airbrush gesprüht, dabei die Farbflächen scharf voneinander abgrenzend oder weich ineinander übergehend. 

Die Künstlerin sagt selbst: „Im Bildraum bewegen sich die Formen und Flächen in rhythmischer Interaktion, eine dynamische Balance entsteht, wo ein Element das andere berührt und etwas auslöst im Gefüge. Sie verschieben sich jeweils in einen anderen Aggregatzustand und entwickeln Ambivalenzen untereinander, visualisiert durch die Erfindungen der Malerei.“ 

Die verschiedenen Oberflächen schaffen auf der Bildfläche räumliche Beziehungen, die sich jedoch nicht eindeutig auflösen lassen wie bei einem perspektivisch konstruierten Raum. Goes’ Bildkompositionen beruhen auf einer paradoxalen Verschränkung, die sich am deutlichsten im Verhältnis von Fläche und Raum zeigt. 

Es handelt sich um eine fast architektonische Bildauffassung, bei der sich die Komposition wie ein Gerüst oder Geflecht aufbaut. Die bemalte Bildfläche ist dabei beinahe wie eine Skulptur aufgefasst, die, auch wenn man sie nicht umwandern kann, sich im gleichen Raum wie wir befindet. Wir tauchen nicht nur in das Bild hinein, sondern es kommt uns gleichsam entgegen. 

Wenn sich die Bildelemente teilweise überschneiden und ein Übereinanderliegen verschiedener Ebenen suggeriert wird bzw. auch tatsächlich vorhanden ist, mag man an die beliebig an- und wegklickbaren Layer digitaler Bildprogramme denken. Doch so sehr ein gemaltes Bild auch von der visuellen Umwelt geprägt ist, so sehr ist es bei Franziska Goes immer eine Reflexion dieser mit den Mitteln der Malerei selbst und gleichsam über sie. Sie selbst versteht dies als „eine Art Sampling Strategie über Varianten malerischen Ausdrucks im Hier und Jetzt, bei der künstlerisch so frei und präzise wie möglich ein visueller und physischer Ereignisraum geschaffen wird.“ 

Ludwig Seyfarth, Berlin 2020