Mittwoch, der 15. November 2023 um 20 Uhr.
Das Gespräch findet im Atelier der Künstlerin statt.
Dagmara Genda, Ohne Titel (Kleiderbügel), Edelstahl, 2022 |
Ein Zitat von Witold Gombrowicz, polnischer Schriftsteller des Absurden während der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen, hat mich zu meiner langjährigen Arbeitsmethodik inspiriert: Motive aus ihren Quellen auf immer neue Weisen herauszuschneiden und diese neu zu kombinieren. In seinem letzten Buch Kosmos (1965) stellt Gombrowicz die Frage, auf wie viele Arten die 24 Buchstaben des Alphabets neu angeordnet werden können, als Analogie für die Kontingenz der Bedeutung des Universums. So wird seine Erzählung durch scheinbar willkürliche Verbindungen vorangetrieben, wie beispielsweise die Entdeckung einer Pfeilform in der Struktur einer geputzten Decke oder in der verborgenen Deutung eines hängenden Bleistifts.
Seit 2021 entwickle ich meine zeichnerische Praxis weiter, indem ich gezeichnete Linien in polierten oder lackierten Edelstahl übertrage. Indem ich rekonfigurierbare skulpturale Installationen schaffe, behandle ich jedes Element wie eine Linie oder einen Pinselstrich, der verschoben oder räumlich collagiert werden kann, um eine neue Zeichnung zu schaffen. Die Arbeiten sind nicht als Zeichnungen im Raum zu verstehen, sondern als Zeichnungen, die, nachdem sie ihre Komfortzone verlassen haben, versuchen, im Raum zurechtzukommen.
Wie Gombrowicz in seinem Buch, dessen Geschichte sich durch eine Reihe von Hängungen bildet – eines Vogels, eines Bleistifts, einer Katze und schließlich eines Mannes – zeigt, ob etwas hängt oder gehängt wird, ist manchmal eine Frage der Perspektive. Unsere Wirklichkeiten werden durch die Rahmen gebildet, durch die wir schauen. In meiner Praxis des erweiterten Zeichnens, schaffe ich möglichst viele Rahmen, damit sich die Welt in ihrer Entstehung, in ihrem Dasein und in ihrer Kontingenz zeigen kann.